Ein Tag als Straßenwärter
Staatsminister Martin Dulig als Straßenwärter bei der Autobahnmeisterei in Dresden-Hellerau.
Es stinkt und ist einfach widerlich. Ich meine nicht die Dutzenden von Mülltonnen, mit Essensresten, Babywindeln und die anderen müffelnden Abfälle, die ich einsacke und auf den Transporter werfe. Ich meine die Toilettenanlagen, die sauber gemacht werden müssen. Der Geruch ist wirklich das Schlimmste, was mich heute – an meinem Tag als Straßenwärter bei der Autobahnmeisterei in Dresden-Hellerau – an meine Ekelgrenze führt.
Um 11.50 Uhr biegt unser orangefarbenes Auto auf den A13-Parkplatz »Wiesenholz« ab. Alle 16 Müllbehälter müssen geleert werden. Sind die Tonnen mehr als zur Hälfte gefüllt oder stinken, werden sie geleert. Wie jeden Tag! Die vollen Säcke fliegen auf die Ladefläche unseres Autos. Schnell habe ich die Routine raus.
Seit knapp sechs Stunden bin ich an diesem ungewöhnlich sonnigen Novembertag bereits im Dienst. Nach meiner Arbeitsschutzbelehrung, die obligatorisch für jeden Neuling ist und dem Aushändigen meiner orangefarbenen Arbeitskleidung, werde ich dem Team der Autobahnmeisterei als Praktikant vorgestellt. Obwohl mich die meisten Kollegen hier gewiss schon bei anderen Terminen im Anzug kennengelernt haben, falle ich um diese Tageszeit kaum jemandem auf. Dafür ist der Tagesstart hier einfach zu routiniert. Angemeldet war ich nicht – nur die Leiterin der Meisterei wusste Bescheid. Ich will keine offizielle Begrüßung oder vorher einen Rundgang. Ich bin einfach hier zum Arbeiten.
Ich werde Patrick zugeteilt. Ihm soll ich heute zur Hand gehen. Mit dem Auto werden wir die Park- und Rastplätze der Meisterei abfahren und reinigen – also acht Parkplätze und sechs Toilettenkomplexe entlang der A13 bis zur Landesgrenze und auf der A4 im Dresdner Osten. Der Dreißigjährige erkennt mich sofort. Doch Hemmungen hat er zum Glück keine. Schnell sind wir beim Du. Im Auto redet Patrick offen. Erzählt, dass er sich wundert, dass ich mir gerade diesen Job ausgesucht habe: »Bei uns ist das nicht gerade die beliebteste Aufgabe. Viele können die Toiletten nicht saubermachen.« Laut Bereitschaftsplan ist aber jeder von den 20 Männern der Meisterei mal mit Parkplatz-Reinigen dran.
Warum, lerne ich wenig später am Rastplatz »Radeburg«. Hier müssen die Toiletten gereinigt werden. Am angenehmsten ist es auf der Behindertentoilette – diese ist sauber, hier muss nur kurz durchgewischt werden. Das Herren-WC und das Damen-WC hingegen sind echte Zumutungen. Es stinkt einfach ekelhaft. Manche Benutzer wissen offenbar nicht, wie Toiletten zu benutzen sind. Mit Kärcher und Mob wischen Patrick und ich durch. Dabei haben wir heute noch Glück! Was die Straßenwärter hier manchmal zu sehen bekommen, will ich lieber nicht beschreiben… Mein Respekt vor dieser Arbeit steigt gerade ins Unermessliche. »Ich frage mich immer, ob die Menschen so bei sich zu Hause auch ihr WC benutzen und so mit ihren Wänden und Böden umgehen«, fragt Patrick. Vor der Tür steht eine ältere Dame, laut Autokennzeichen wohl aus Berlin und schimpft: »Dauert ditt noch lange? Kann ja wohl nich sein.« Doch das Reinigen braucht nun Mal seine Zeit. Schließlich soll die Anlage wenigstens einmal am Tag ordentlich sauber sein.
Über eine kleine Tür an der Rückwand des WC-Trakts, geht es in den Funktionsraum. Automatisch können wir von hier die Toiletten mit Toilettenpapier und die Waschbecken mit Seife und Papiertüchern befüllen. Anschließend sind auf dem Parkplatz wieder die Mülltonnen dran. Rund 120 Tonnen Abfall fallen so jeden Tag an. Pro Parkplatz brauchen wir im Schnitt eine knappe Stunde. Das geht Schlag auf Schlag. Zum Mittag gönnen wir uns unterwegs eine Bockwurst und eine Tasse Kaffee.
Zu unserer Fotografin sagt Patrick, als sie für eine knappe Stunde vorbeikommt: »Der Martin packt zu und diskutiert nicht. Der sieht die Arbeit und drückt sich nicht weg. Hätte ich nicht gedacht.« Das freut mich ehrlich!
Ich wusste, dass unsere Straßenwärter viel zu tun haben – Schäden auf den Fahrbahnen dokumentieren, Reparaturarbeiten an Leitplanken. Die stundenlangen Einsätze im Winter rund um die Uhr für den Winterdienst, wo viele Autofahrer so gar kein Verständnis aufbringen. Doch die Arbeit, die ich heute gemacht habe, hatte ich bislang wenig präsent. Es ist für uns alle viel zu selbstverständlich, dass die Parkplätze sauber sind, dass Toiletten gereinigt sind, dass Müllcontainer leer sind. Doch das ist es eben nicht!