Ein Tag als Praktikant in den Elbe Flugzeugwerken
Staatsminister Martin Dulig als Praktikant in den Elbe Flugzeugwerken in Dresden
Um 5.45 Uhr werde ich schon am Werkstor der Elbe Flugzeugwerke (EFW), direkt am Flughafen Dresden, abgeholt. Heute ist alles etwas anders als bei bisherigen Arbeitseinsätzen! Mich nimmt Kai Mielenz in Empfang. Er ist seit sieben Monaten einer der drei Geschäftsführer und Chief Financial Officer (CFO) der EFW. Aber er fungiert auch als Arbeitsdirektor des Unternehmens und möchte gern in dieser Funktion den Tag heute mit mir gemeinsam arbeiten und so »sein« Unternehmen, in dem er seit 2005 tätig ist, ebenfalls von einer anderen Seite kennenlernen. Für mich ist das ausgesprochen praktisch: So lernen wir uns besser kennen und ich kann bei EFW arbeiten. Denn sonst hätte ich als »Praktikant«, wie bei meinen anderen Arbeitseinsätzen, gar nicht mitarbeiten dürfen. In dem Luftfahrt-Unternehmen gelten strenge Sicherheitsvorkehrungen – nicht jeder darf im Hochsicherheitsbereich ohne Weiteres an Flugzeugen schrauben. Außer Mielenz und einer Kollegin wissen dennoch keine weiteren Mitarbeiter Bescheid. So bin ich, wenigstens für die ersten Minuten, ein neuer Beschäftigter. Als ich dann doch erkannt werde, ist die Nachricht »Minister Dulig arbeitet bei uns heute mit« innerhalb kurzer Zeit im Umlauf.
Mit über 1.800 Mitarbeitern sind die Flugzeugwerke nicht nur einer der größten Arbeitgeber Dresdens, sondern auch einer der bekanntesten: Bereits 1955 wurden hier Flugzeuge gebaut. 1991 sicherte sich Airbus das Unternehmen, welches seit 2012 mit ST Aerospace einen weiteren Gesellschafter bekam. Heute werden in den riesigen Hallen nicht nur einstige Airbus-Passagierflugzeuge zu Frachtfliegern umgebaut, auch der »König der Lüfte«, der gigantische A 380, wird in Dresden mit nagelneuen, hochmodernen Kabinenausstattungen aufgefrischt.
Ich bin heute in einer der Umbauhallen tätig. Vier ausgemusterte Passagierflugzeuge stehen dicht an dicht nebeneinander. Die ehemaligen A 330 werden hier zu komplett neuen Flugzeugen umgebaut. Statt 19 Tonnen Fracht fassen sie künftig bis zu 63 Tonnen. Nach einer ausführlichen Belehrung geht es in den ersten Airbus. Dieser wird einmal (fast) komplett in seine rund 300.000 Einzelteile zerlegt – bis die jeweils zwei Decks komplett bis auf die Außenhaut »nackig« sind. Über Kopf montieren wir Kabel im Frachtraum ab. Diese ergeben insgesamt einmal die Länge von Dresden bis Rostock. Die Kanten in den Verankerungen sind extrem scharf – ich bin froh, dass ich Handschuhe tragen muss. Meine Kollegen um mich herum sind hochkonzentriert. Alle abmontierten Bauteile werden genauestens erfasst und sortiert – denn viele von ihnen werden später wieder in den Flieger eingebaut.
Schnell merke ich, wie die Arbeit über Kopf auf die Schultern und den Hals geht – überall ziept es. Die Haltung ist für mich völlig ungewohnt. Nach einer Stunde wechseln Kai Mielenz und ich den Arbeitspatz. Wir schrauben nun Schrauben und Plastikteile von den Flugzeugtüren. Ein unglaubliches Gefriemel. Später wird an dieser Stelle die Kabine aufgeschnitten – ein 20 Quadratmeter großes Frachttor wird hier einmal sein, um große Güter in den Rumpf verladen zu können. Sämtliche Fenster – bis auf die in der Pilotenkanzel – werden versiegelt. Sämtliche Stühle, die Bordküchen und fast alle Toiletten kommen raus. Dieses Equipment wird in einem Frachtflugzeug nicht mehr benötigt.
Unsere nächste Station ist ein bereits »leerer« A 330. Hier werden die Kabel neu verlegt. Es heißt also wieder: Über-Kopf-Arbeiten! Nur, dass wir diesmal die scharfkantigen Schellen anmontieren müssen. Und die müssen sitzen – schließlich darf sich in der Luft nichts lösen. Kabel ziehen dürfen wir allerdings nicht: Nur zertifizierte und ausgebildete Kolleginnen und Kollegen führen solche sensiblen Arbeiten aus. Später werden in diesem halbfertigen Flieger die Böden verstärkt und überall Spanngurte montiert, damit die künftige tonnenschwere Last auch stabil einen Flug überstehen kann. Links und rechts neben uns sind viele Kollegen mit der gleichen Arbeit beschäftigt. Es ist ein junges Team. Die EFW bilden auch selber aus – haben derzeit 80 Azubis. Dennoch werden ständig neue, qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht. Auch im Ausland.
Die Kolleginnen und Kollegen, mit denen wir arbeiten, reden offen mit uns. Wir sind Kai und Martin –also »per Du« mit den EFW-Beschäftigten. Sie erzählen offen, wo es klemmt, was anders und effektiver sein könnte. Große Klagen über die Arbeitsbedingungen höre ich nicht. Es ist eine schwere, verantwortungsvolle Arbeit. Doch dafür wird ein guter IG-Metall-Tarif gezahlt. Die Mitarbeiter der EFW sind so hochspezialisiert und professionell, dass die innerhalb von sechs bis acht Monaten umgebauten Frachtflieger nach Unternehmensangaben keinen einzigen Testflug benötigen, bevor die fertigen Maschinen ausgeliefert werden.
Nach dem Mittagessen helfen wir mit, am Heck ein Höhenleitwerk eines A 330 abzumontieren. In 16 Metern Höhe sind wir in Bergsteigerausrüstung gesichert und bewegen uns äußerst vorsichtig: Ein falscher Schritt und es könnte ein Millionenschaden entstehen. Doch um das Leitwerk zu lösen, darf es auch mal ein kräftiger Schlag auf die richtige (!) Stelle sein. In Millimeterschritten wird schließlich die Tragfläche nach unten befördert. Nichts darf jetzt schiefgehen – jeder Schritt ist streng durchgeplant.
Ich bin nach acht Stunden geschafft. Um 14.21 Uhr ist traditionell Feierabend für die Frühschicht. Wieso es diese seltsame Zeit seit Jahrzehnten gibt, kann mir keiner mehr erklären. Die ganze Arbeitszeit muss man hochkonzentriert sein. Fehler darf es nicht geben. Ich habe hohen Respekt vor den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Elbe Flugzeugwerke. Sie leisten zudem noch einen wichtigen Beitrag für unsere Umwelt! Denn durch ihre Arbeit erhalten Flugzeuge ein zweites Leben. Das ist nachhaltig und schont die Umwelt, da die alten Passagiermaschinen nicht auf Flugzeugfriedhöfen geparkt und die wertvollen Materialien weitergenutzt werden. Zumal inzwischen Passagiermaschinen umgebaut werden, die technisch modern sind und damit auch die Frachtflotten der Fluglinien deutlich leiser machen werden.
Vieles habe ich heute gelernt. Vieles war mir neu. Ich freue mich, so viele freundliche und aufgeschlossene Kolleginnen und Kollegen heute kennengelernt zu haben – die quasi auf ihren Job fliegen und richtig motiviert sind. Sie haben einen extrem verantwortungsvollen Arbeitsplatz, der keine Fehler erlaubt. Und sie sorgen dafür, dass der gute Name Sachsens im wahrsten Sinne des Wortes weit über die Landesgrenzen hinausgetragen wird. Dafür mein herzlicher Dank und Respekt!